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Entwicklungspotentiale der Bergbaufolgelandschaften

In der Sanierungsplanung der Länder werden Renaturierungsflächen als Naturschutzvorrangflächen, neben der traditionellen Land- und Forstwirtschaft, als eine eigene Flächennutzungsart ausgewiesen. Damit ist eine entscheidende Grundlage für die Sanierung geschaffen worden.

RENATURIERUNG

Die Fol­ge­flä­chen des Braun­koh­len­ta­ge­baus sind durch die umfang­rei­che Flä­chen­in­an­spruch­nah­me der Groß­ta­ge­baue und den damit ver­bun­de­nen infra­struk­tu­rel­len Ver­än­de­run­gen in der Regel sehr groß­flä­chig, unzer­schnit­ten und stö­rungs­arm.

Die meist nähr­stoff­ar­men Kipp-Sub­stra­te ste­hen im Gegen­satz zum Tage­bau­um­land, das durch eine fort­schrei­ten­de Land­schafts­zer­schnei­dung sowie durch flä­chi­ge Eutro­phie­rungs­pro­zes­se gekenn­zeich­net ist. Dies gilt im Übri­gen für wei­te Gebie­te Deutsch­lands und Mit­tel­eu­ro­pas. In jun­gen Kip­pen­öko­sys­te­men wir­ken zudem ins­be­son­de­re die Grund­was­ser­ab­sen­kung und/oder die zum Teil extrem nied­ri­gen pH-Wer­te von Ter­ti­är­sub­stra­ten selek­tie­rend auf die Arten­zu­sam­men­set­zung. Auf­grund die­ser eigen­stän­di­gen Stand­ort­fak­to­ren stel­len Kip­pen und Hal­den in den ers­ten Besied­lungs­pha­sen Öko­sys­te­me mit gerin­gem Kon­kur­renz­druck dar, die vor­ran­gig durch Spe­zia­lis­ten besie­delt wer­den.

Der Zufall und soge­nann­te „First-Comer-Effek­te“ sind hier­bei wich­ti­ge Besied­lungs­fak­to­ren. Durch die Hete­ro­ge­ni­tät der Kipp­sub­stra­te und die betriebs­tech­nisch beding­ten groß- und klein­flä­chi­gen Struk­tu­ren des Sanie­rungs­berg­baus, wie z. B. Schüttrippen, Hal­den, Gelän­de­mul­den und Ero­si­ons­rin­nen, wei­sen die Fol­ge­flä­chen mit ihren wech­seln­den Land­schafts­ele­men­ten ein hohes Ent­wick­lungs­po­ten­zi­al für eine gro­ße bio­lo­gi­sche Viel­falt sowie eine her­vor­zu­he­ben­de Eigen­art und bizar­re Schön­heit auf. Die jun­gen Öko­sys­te­me unter­lie­gen in ihrer Ent­wick­lung einer hohen Dyna­mik, die auf Stand­or­ten mit anhal­ten­den geo­mor­pho­lo­gi­schen Pro­zes­sen über län­ge­re Zeit­räu­me erhal­ten bleibt.

Wertvolle Biotope

Gräser im Naturschutzgebiet Grünhaus
Grä­ser im Natur­schutz­ge­biet Grün­haus
Totholzwall in Nochten
Tot­holz­wall in Noch­ten

Natur­schutz­fach­lich wert­vol­le Bio­to­pe der Berg­bau­fol­ge­land­schaft gehen auf beson­de­re geo­mor­pho­lo­gi­sche Bedin­gun­gen zurück. Steil­ufer, Abbrü­che, Roh­bo­den­be­rei­che oder wei­her­ar­ti­ge Klein­ge­wäs­ser sind Zufalls­pro­duk­te der eins­ti­gen Abbau­tä­tig­keit. 

Im Ver­lauf der natür­li­chen Suk­zes­si­on kön­nen sich auf geeig­ne­ten Stand­or­ten sowie bei Vor­han­den­sein von Lie­fer­bio­to­pen in der Umge­bung sehr schnell Sil­ber­gras-Pio­nier­flu­ren und Sand­tro­cken­ra­sen, Kalk­ma­ger­ra­sen­in­itia­le, Röh­rich­te, Wei­den­ge­bü­sche und Pio­nier­wäl­der mit Bir­ken oder Kie­fern bil­den. Mit­tel- bis lang­fris­tig ist eine Ent­wick­lung von Sümp­fen, Nie­der­moo­ren, Seg­gen­rie­dern sowie Hei­den und Laub­misch­wäl­dern mög­lich. Auf Son­der­stand­or­ten kön­nen sich bei­spiels­wei­se bei wech­seln­den Was­ser­stän­den Zwerg­bin­sen-Gesell­schaf­ten oder, bei geo­lo­gisch beding­ten hohen Salz­ge­hal­ten, Bin­nen­salz­stel­len ent­wi­ckeln.

Im mit­tel­deut­schen Raum sind makro­phy­ten­rei­che Gewäs­ser, zum Teil mit aus­ge­präg­ten Arm­leuch­teral­gen­ra­sen, eben­falls kei­ne Sel­ten­heit. In der Nie­der­lau­sitz domi­nie­ren dage­gen extrem sau­re Gewäs­ser mit Bestän­den von Zwie­bel­bin­se und Schilf. Den Beson­der­hei­ten der Bio­top­ent­wick­lung wer­den eigens für die Berg­bau­fol­ge­land­schaft ent­wi­ckel­te Bio­top­ty­pen­schlüs­sel gerecht.

EINWANDERUNG VON TIERARTEN

Älte­re Suk­zes­si­ons­flä­chen sind Akku­mu­la­ti­ons­räu­me für Pflan­zen­ar­ten, die aus wei­te­rer Ent­fer­nung über Fern­aus­brei­tung und außer­ge­wöhn­li­che Ereig­nis­se all­mäh­lich in die Abbau­ge­bie­te ein­ge­tra­gen wer­den. Die­se Arten kön­nen dann benach­bar­te jüngere Flä­chen schnel­ler besie­deln. Der Pro­zess der suk­zes­si­ven Besied­lung wird durch ein Mosa­ik von Stand­or­ten unter­schied­li­cher Besied­lungs­fä­hig­keit geför­dert. Kipp­sub­stra­te oder Sub­strat­ge­mi­sche aus unter­schied­li­chen geo­lo­gi­schen Zeit­räu­men leis­ten hier­nach einen wesent­li­chen Bei­trag. Eine zugleich hohe Reli­ef­viel­falt kann die Ent­wick­lung mosa­ik­ar­ti­ger Vege­ta­ti­ons­struk­tu­ren zusätz­lich för­dern. Leicht besie­del­ba­re Stand­or­te, wie bei­spiels­wei­se Gelän­de­mul­den oder Quar­tär-Sub­stra­te, wir­ken als Akku­mu­la­ti­ons­räu­me und Lie­fer­bio­to­pe für wei­te­re Besied­lungs­pro­zes­se auf den Grenz­stand­or­ten, wie sie unter ande­rem sehr tro­cke­ne Berei­che (z. B. Südböschungen) oder sehr sau­re Ter­ti­är-Sub­stra­te dar­stel­len. Die Ein­wan­de­rung von Tier­ar­ten ist in stär­ke­rem Maße von der Ver­net­zung der Berg­bau­fol­ge­land­schaft zu den Lie­fer­bio­to­pen im Tage­bau­um­land abhän­gig. Ins­be­son­de­re bei wenig mobi­len Tier­ar­ten­grup­pen zei­gen die Tage­baue des­halb mit­tel­fris­tig häu­fig nur ein Teil­ar­ten­spek­trum der umge­ben­den, unver­ritz­ten Land­schaft.

Rot­mi­lan in der Berg­bau­fol­ge­land­schaft

Was­ser­frosch im ehe­ma­li­gen Tage­bau See­se-West

Ita­lie­ni­sche Schön­schre­cke im ehe­ma­li­gen Tage­bau Schla­ben­dorf-Süd (Wan­nin­chen)

In der Sanierungsplanung der Länder werden Renaturierungsflächen als so genannte "Naturschutzvorrangflächen" als eigenständige  Flächennutzungsart ausgewiesen. Damit ist eine entscheidende Grundlage für die Sanierung geschaffen worden.

Jörg Schlenstedt 

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VORRANGGEBIETE FÜR DEN NATURSCHUTZ

Vor­rang­ge­bie­te für den Natur­schutz sol­len vor allem einen mög­lichst hohen Anteil an Pri­mär­suk­zes­si­ons­flä­chen mit aus­ge­präg­ter berg­bau­ty­pi­scher Struk­tur­viel­falt auf­wei­sen. Im Gegen­satz zu den Forst­flä­chen wer­den Rena­tu­rie­rungs­flä­chen in der Regel weder gekalkt noch gedüngt. Hier dürfen zum Zeit­punkt der Been­di­gung der Berg­auf­sicht kei­ne wirt­schaft­li­chen Nut­zungs­mög­lich­kei­ten oder Eigen­schaf­ten nach den Wald­ge­set­zen der Län­der vor­han­den sein. Soweit kei­ne Staub­emis­sio­nen von der Flä­che für umlie­gen­de Wohn­ge­bie­te aus­ge­hen, wird auch auf eine Begrünung zuguns­ten pri­mä­rer Suk­zes­si­ons­vor­gän­ge ver­zich­tet. Aus die­sem Grund wer­den der­ar­ti­ge Stand­or­te nach Mög­lich­keit nicht in unmit­tel­ba­rer Nähe von Sied­lun­gen bzw. tou­ris­ti­schen Zie­len aus­ge­wie­sen.

Muss den­noch eine Begrünung erfol­gen, wird eine Grä­ser-Zusam­men­set­zung aus horst­bil­den­den Schwin­gel­ar­ten mit maxi­mal 2 bis 5 Gramm je Qua­drat­me­ter Saat­gut aus­ge­bracht, um die Suk­zes­si­ons­vor­gän­ge nicht zu beschleu­ni­gen oder gar zu ver­fäl­schen. Dafür muss der pH-Wert des Ober­bo­dens (ca. 20 Zen­ti­me­ter) mit­tels leich­ter Kal­kung jedoch auf wenigs­tens 4,0 ange­ho­ben wer­den. In zum Teil groß­flä­chi­gen Pra­xis­ver­su­chen wur­den im Rah­men der Sanie­rung in Natur­schutz­vor­rang­ge­bie­ten auch erfolg­reich Sand­tro­cken­ra­sen, Hei­den, Kalk­ma­ger­ra­sen sowie Frisch­wie­sen ent­wi­ckelt. Die­se Offen­land­bio­to­pe kön­nen über die Metho­den der Sodenschüttung, Soden­ver­set­zung, Auf­trag von Mäh­gut sowie Mulch­deck­saa­ten eta­bliert wer­den.

Um die land­schafts­öko­lo­gi­schen Beson­der­hei­ten „Unzer­schnit­ten­heit“, „Stö­rungs­ar­mut und „Nähr­stoff­ar­mut“ lang­fris­tig erhal­ten zu kön­nen und um Rand­ef­fek­te zu mini­mie­ren, bedarf es aus­rei­chend gro­ßer, zusam­men­hän­gen­der Vor­rang­ge­bie­te für den Natur­schutz von min­des­tens 400 Hekt­ar, aber mög­lichst über 2.000 Hekt­ar. Außer­dem kön­nen nur bei aus­rei­chend gro­ßen Flä­chen mit unter­schied­lich besie­del­ba­ren Stand­or­ten kon­ti­nu­ier­lich Rückzugsräume für kon­kur­renz­schwa­che Arten erhal­ten blei­ben. Die­se groß­flä­chi­gen Bio­top­mo­sai­ke sind zudem wich­ti­ge Habi­ta­te für vie­le Tier­ar­ten mit grö­ße­ren Akti­ons­räu­men und dif­fe­ren­zier­ten Ansprüchen an Habi­tat­struk­tu­ren (z. B. struk­tu­rell dif­fe­ren­zier­te Nah­rungs- und Brut­ha­bi­ta­te bei Greif­vö­geln).

Die Popu­la­tio­nen unter­lie­gen in grö­ße­ren Schutz­ge­bie­ten außer­dem gene­rell dem gerin­ge­ren Risi­ko einer Aus­lö­schung durch zufäl­li­ge Ereig­nis­se. Wer­den klei­ne­re Gebie­te aus­ge­wie­sen, müssen Kon­zep­te für eine Puf­fe­rung der Flä­chen gegenüber Nähr­stoff­ein­trag und Stö­rung sowie fun­dier­te Manage­ment­kon­zep­te zum Erhalt der Arten ent­wi­ckelt wer­den, da die Habi­ta­te durch fort­schrei­ten­de Suk­zes­si­on ver­lo­ren gehen kön­nen und auf­grund der gerin­gen Flä­chen­grö­ße kaum Aus­weich­stand­or­te vor­han­den sind. Wer­den die Gebie­te auch für einen sanf­ten Tou­ris­mus genutzt, ist eine stra­te­gi­sche Besu­cher­len­kung von gro­ßer Bedeu­tung.

Rotfuchsfähe
Rot­fuchs­fä­he